27.04.2016, 10:30 Uhr

Einer für alle, alle für einen 03/2015

Sie helfen beim Deutschlernen, organisieren Freizeit-Abenteuer oder bieten Spaß beim Sport: ZUSAMMEN:ÖSTERREICH über die beeindruckende Vielfalt freiwilliger Initiativen für Flüchtlinge und Zuwanderer.

© www.weinfranz.at

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Ahmed Soliman weiß, wie man in der Natur zurechtkommt. "Ein Lager aufschlagen, Essen vorbereiten, Feuer machen, das kann ich alles", sagt der 13-Jährige stolz. Der Sohn ägyptischer Eltern ist vor vier Jahren zu den Pfadfindern gekommen und hat seither viel gelernt. Bei einer Schulung zum Kornett, dem Sprecher einer Pfadfinder- Kleingruppe, hat er Gabriel und Manuel kennen gelernt. Heute sind die drei Burschen auch abseits von Wald und Flur unzertrennlich. "Wir treffen uns eigentlich jede Woche, gehen ins Kino oder bowlen", erzählt Ahmed.

Vom Pfadfinder zum Leiter

Damit die Jugendlichen die Zeit an der frischen Luft unbeschwert genießen können, gibt es Pfadfinderleiter wie Daniel Przybilovsky. Der Medizinstudent begleitet seine Gruppe bei ihren Abenteuern. Warum er seine Freizeit mit meist pubertierenden Jugendlichen verbringt? "Ich bin als Siebenjähriger zu den Pfadfindern gekommen, habe selbst alle Stufen durchlaufen und habe dabei viele wunderbare Erfahrungen gemacht", sagt Przybilovsky. "Jetzt will ich den Jüngeren dasselbe ermöglichen."

Hilfe, die Spaß macht

Przybilovsky spricht für viele in Österreich: Anderen helfen, zum Gemeinwohl beitragen und dabei auch Spaß haben - das sind die wichtigsten Motive der 3,3 Millionen Menschen, die sich freiwillig engagieren (siehe Wissen). "Jemanden unterstützen zu können, macht beide Seiten glücklich", sagt auch Priska Koiner. Sie ist nicht in einem Verein wie den Pfadfindern aktiv, sondern begleitet als Privatperson sechs Flüchtlinge, die hier ihr Studium anerkennen lassen. "Sie haben unterschiedliche Bedürfnisse. Die eine braucht Hilfe beim Schreiben des Lebenslaufs, der andere eine Einführung in die Werte unserer Gesellschaft." Seit über zwei Jahren trifft Koiner ihre Schützlinge einmal im Monat. "Sie bewegen sich vor allem in der eigenen Community. Ich bin für sie ein Anknüpfungspunkt zur österreichischen Gesellschaft."

"Jemanden unterstützen zu können macht beide Seiten glücklich." Priska Koiner betreut ehrenamtlich Flüchtlinge, die ihr Studium nostrifizieren

Online-Portal für Freiwillige

Immer mehr Menschen wollen sich derzeit für die Integration von Flüchtlingen oder Zuwanderern einsetzen. "Doch viele wissen nicht, wie sie am besten helfen können und was gebraucht wird", sagt Franz Wolf, Geschäftsführer des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF). Der ÖIF hat daher das Freiwilligenportal www.wirsinddabei.at gestartet. Privatpersonen, Institutionen und Unternehmen können dort ihre ehrenamtlichen Angebote online stellen und so die gewünschte Zielgruppe erreichen. "Angesichts der großen Zahl an Flüchtlingen, die derzeit nach Österreich kommen, ist es besonders wichtig, dass sie hier rasch Anschluss finden und sich integrieren können."

Einstimmig für Flüchtlinge

Eichgraben im Wienerwald zeigt vor, wie der öffentliche Bereich und private Initiativen einander perfekt ergänzen können. Seit dem Winter beherbergt der 4.500-Einwohner- Markt 24 Flüchtlinge. Die Aufnahme wurde vom Gemeinderat einstimmig beschlossen, die aus Ländern wie Syrien oder dem Irak Geflüchteten vorbildlich ins Gemeindeleben eingebunden: Eine Gruppe hilfsbereiter Bürgerinnen organisierte Sprachkurs, Kleidersammlung und gemeinsame Feste. Wie das gelungen ist? "Durch viel Dialog im Vorfeld", sagt Bürgermeister Martin Michalitsch. Im Herbst des letzten Jahres habe er vom großen Flüchtlingszustrom und der Bitte an die Gemeinden um Unterstützung gehört. "Da habe ich mir gedacht: Ja, das sollten wir auch angehen." Michalitsch führte vorbereitende Gespräche mit Gemeinderat, Pfarre, Diakonie und der Bevölkerung. "Als die Flüchtlinge dann kamen, habe ich sie als Bürgermeister offiziell in der Gemeinde begrüßt. So war das positive Bekenntnis von Anfang an da." Auch heute, fast ein Jahr später, ist die gute Stimmung in Eichgraben ungebrochen. "Wir haben bei dem Thema die Stammtisch-Hoheit", freut sich Michalitsch.

"Ich habe die Flüchtlinge als Bürgermeister in der Gemeinde begrüßt. So war das positive Bekenntnis von Anfang an da." Martin Michalitsch, Bürgermeister von Eichgraben

Jung und alt sind engagiert

Dass die große Zahl an Flüchtlingen zu großer Hilfsbereitschaft führt, berichtet auch Karin Schleipfner, Referentin für freiwilliges Engagement bei der Caritas Steiermark. "Aktuell melden sich erfreulicherweise viele Menschen bei uns", sagt sie. Wer sind die Freiwilligen, was verbindet sie? Studierende und Pensionisten seien die zwei größten Gruppen, so Schleipfner. "Sie haben im Schnitt ein hohes Bildungsniveau. Und sicher drei Viertel sind Frauen, wie im Sozialbereich insgesamt." Doch freiwillige Arbeit, zumal im Flüchtlingsbereich, birgt auch ihre Herausforderungen. Immer wieder komme es vor, dass Menschen sich zu wenig vom Schicksal ihrer Schützlinge abgrenzen und somit selbst belasten, sagt Schleipfner. Daher gebe es in jeder Caritas-Einrichtung regelmäßigen Austausch mit den professionellen Mitarbeitern. "Es ist für Freiwillige wichtig, zu wissen: Wir können und müssen nicht alle Probleme der Welt lösen."

"Es ist für Freiwillige wichtig, zu wissen: Wir können und müssen nicht alle Probleme der Welt lösen." Karin Schleipfner, Caritas Steiermark

Migrantische Selbsthilfe

Auch vermeintlich kleine Gesten können Großes bewirken. Diese Erfahrung hat Shokat Ali Walizadeh gemacht. "Vor einigen Jahren meldete sich ein Freund bei mir, unglücklich", erzählt der gebürtige Afghane. "Er war damals Asylwerber, wurde in eine andere Unterkunft verlegt und konnte seinen Deutschkurs nicht weiter besuchen." Walizadeh begann in der afghanischen Community zu sammeln. Rasch hatte er genug Geld beisammen, um dem Freund die Fahrkarte zum Deutschkurs zu finanzieren. "Das hat mir gezeigt: Wenn wir uns organisieren, können wir einander helfen." Walizadeh gründete mit Gleichgesinnten den Verein Afghanische Jugendliche - Neuer Start in Österreich. Ehrenamtlich helfen sie Landsleuten, die neu in Österreich sind, bei der Suche nach Deutschkurs oder Wohnung. "Wir standen früher vor denselben Problemen. Jetzt wollen wir unser Wissen weitergeben", erklärt Walizadeh das Prinzip migrantischer Selbsthilfe.

Respekt am Rugbyfeld

Afghanistan, Syrien, Somalia, Österreich - aus Ländern wie diesen kommen die Spieler in Udochuku Richsons Rugby- Mannschaft. "Wir bauen ein Team aus jungen Flüchtlingen, Migranten und Einheimischen auf", erzählt der Ex-Nationalspieler und freiwillige Trainer. Rugby Opens Borders, Rugby öffnet Grenzen, lautet der Name des Projekts von gut zehn Ehrenamtlichen, unterstützt von der Rugby Union Donau Wien. "Die Jugendlichen können sich sportlich beweisen und lernen zugleich die österreichische Gesellschaft kennen", sagt Richson. Nach den Trainings wird gemeinsam gekocht, dazu kommen Workshops und Aus üge. Warum gerade Rugby? "Weil es eine besonders soziale Sportart ist", erklärt Richson. "Der internationale Rugby-Code dreht sich um Respekt, Disziplin und Toleranz. Diese Werte sind auch im Zusammenleben wichtig. Selbst bei Spielen gegen den Erzrivalen feiert man hinterher gemeinsam."

"Im Rugby geht's um Respekt, Disziplin und Toleranz. Diese Werte sind auch im Zusammenleben wichtig." Udochuku Richson, Initiative Rugby Opens Borders

Verantwortung für das Miteinander

Sport verbindet - das weiß auch Rainer Rößlhuber. "Im Sport fallen viele Hürden weg, die in anderen Lebensbereichen bestehen", sagt das Mitglied im Expertenrat für Integration. "Ich kann mitspielen, auch wenn ich die Sprache noch nicht so gut kann. Die Regeln sind universell, gelten über geografische und kulturelle Grenzen hinweg." Gemeinsam in einem Team aktiv zu sein, das schaffe Freundschaft. Zusammen Verantwortung übernehmen, das steht auch bei den Pfadfindern im Mittelpunkt. "Die Jugendlichen sollen so viele Entscheidungen wie möglich selbst treffen. Ihnen ist überlassen, wer das Feuer macht, wer das Essen, wer den Abwasch", sagt Pfadfinderleiter Daniel Przybilovsky. Ob Ahmed, Gabriel und Manuel einmal in seine Fußstapfen treten werden? "Warum nicht?", grinst Ahmed. "Es macht sicher Spaß, den Kleineren zu zeigen, wie man ein ordentliches Lager aufschlägt."

 

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