06.06.2019, 14:47 Uhr

Jan Assmann: „Gemeinsames kulturelles Gedächtnis ist notwendige Basis für Zusammenleben“

Religions- und Kulturwissenschaftler im ÖIF-Gespräch über Zusammenhalt in einer Gesellschaft, Integration von Zuwander/innen durch gemeinsame Werte sowie die Bedeutung des kulturellen Gedächtnisses

Jan Assmann im Gespräch mit "Die Presse"-Journalist Köksal Baltaci

V.l.n.r.: ÖIF-Direktor Franz Wolf, Jan Assmann, Köksal Baltaci

Am Mittwochabend, 05. Juni 2019, sprach der deutsche Kultur- und Religionswissenschaftler und Ägyptologe Jan Assmann, der im Jahr 2018 gemeinsam mit seiner Frau Aleida mit dem „Friedenspreis des Deutschen Buchhandels“ ausgezeichnet wurde, auf Einladung des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) in Wien über Heimat, das Gefühl der Zugehörigkeit als ein Baustein der Integration und das kulturelle Gedächtnis als gemeinsame Basis einer Gesellschaft. Moderiert wurde das Podiumsgespräch im Festsaal der Technischen Universität Wien von „Die Presse“-Journalist Köksal Baltaci.

Jan Assmann, der mit der gemeinsam mit seiner Frau entwickelten Theorie des kulturellen Gedächtnisses internationale Bekanntheit erlangte, wies beim ÖIF-Podiumsgespräch darauf hin, dass sich durch die Migrationsbewegungen der vergangenen Jahre auch der öffentliche Diskurs verändere: „Der Begriff Heimat ist aktuell in der öffentlichen Debatte sehr präsent. Das liegt meiner Ansicht nach in erster Linie daran, dass so viele Menschen heute ihre Heimat verloren haben. In der Gesellschaft gibt es jedoch seit Urzeiten die Sorge vor Veränderungen, vor einem gewissen Identitätsverlust. Diese prägt im Moment vor allem den Diskurs in den sozialen Medien.“ 

 „Kulturelles Gedächtnis ist Basis für das Zusammenleben"

Heimat ist für den Ägyptologen Assmann „die Fähigkeit des Menschen, an einem Ort Wurzeln zu schlagen. Dazu gehören vor allem die sozialen Netzwerke, die man sich in einer Stadt, einem Land aufgebaut hat, und das Gefühl einer gewissen Zugehörigkeit zu den Menschen, Gebäuden und Plätzen dort.“

Zugehörigkeit kann laut Jan Assmann auf zwei Ebenen entstehen: zum einen innerhalb der Familie, wo Eigenschaften, aber auch politische Interessen geprägt werden. Zum anderen entwickelt sich Zugehörigkeit aber auch aus der Gesellschaft, aus der Geschichte des Landes heraus, in dem man lebt. Hierbei komme vor allem dem von Jan Assmann und seiner Frau Aleida geprägten Begriffs des „kulturellen Gedächtnisses“ eine bedeutende Rolle zu: „Unter dem kulturellen Gedächtnis versteht man im Allgemeinen Texte, Bilder, Denkmäler, Riten – früher hätte man das eher als „Tradition“ bezeichnet.“ Europas kulturelles Gedächtnis, seine Tradition und seine Zivilisation gehe in erster Linie zurück auf das antike Griechenland und die Bibel. Diese gemeinsamen Traditionen, ein gemeinsames kulturelles Gedächtnis zu teilen ist für Assmann eine notwendige Basis für das Zusammenleben von Einheimischen und Zuwander/innen.

 „Staat hat Rahmenbedingungen zu schaffen"

Im Hinblick auf die Integration von Flüchtlingen und Zuwander/innen nach Europa hob Jan Assmann die Bedeutung von Werten wie Mitgefühl und beiderseitigem Vertrauen hervor: „Meiner Ansicht nach kann ein Zusammenleben innerhalb einer Gesellschaft nur dann funktionieren, wenn die neu Angekommenen auch soziale Bindungen zu den Einheimischen aufbauen können. Hierzu braucht es Vertrauen und ein Aufeinander-Zugehen von beiden Seiten.“ Vonseiten der Zuwander/innen sei Respekt vor dem Rechtsstaat unerlässlich für ein friedliches Zusammenleben: „Die Aufnahmegesellschaft kann in erster Linie erwarten, dass sie sich an die in der Gesellschaft herrschenden Gesetze halten – auch wenn sie vielleicht ihren religiösen Normen widersprechen mögen“, sagte Assmann.

Die wichtigste Aufgabe vonseiten des Staates für die Integration sei es, Rahmenbedingungen zu schaffen, um den Spracherwerb sowie die möglichst rasche Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu fördern. Integration müsse vor allem auf gemeinsame Ziele setzen, mit denen sich auch Einwander/innen mit einem ganz anderen sozialen und kulturellen Hintergrund identifizieren können. Noch wichtiger ist für Assmann im Hinblick auf die Integration jedoch die Zivilgesellschaft: „Es gibt vonseiten der Aufnahmegesellschaft sowohl in Deutschland als auch in Österreich viele ehrenamtliche Initiativen, die Integration fördern und Zuwander/innen und Flüchtlingen vermitteln, was es braucht, um in der Gesellschaft Fuß zu fassen. Hier sollte der Staat Rahmenbedingungen schaffen, um diesen Einsatz zu ermöglichen und noch stärker zu fördern.“

ÖIF-Veranstaltungen zum Nachschauen

Der Österreichische Integrationsfonds lädt regelmäßig Wissenschaftler/innen, Autor/innen, Historiker/innen und Philosoph/innen zu Podiumsgesprächen und Lesungen, um die Bedeutung einer gemeinsamen Wertebasis für das Zusammenleben sowie die gesellschaftlichen Herausforderungen und aktuelle Entwicklungen zu Integration aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten. Zuletzt zu Gast waren etwa Frauenrechtlerin Leyla Hussein, Historiker Walter Scheidel und- Philosoph Rudolf Burger. Alle Informationen und Details finden Sie stets unter <link http: www.integrationsfonds.at veranstaltungen external-link-new-window einen externen link in einem neuen>www.integrationsfonds.at/veranstaltungen, die Podiumsdiskussionen zum Nachsehen in voller Länge sind in der ÖIF-Mediathek unter <link http: www.integrationsfonds.at mediathek external-link-new-window einen externen link in einem neuen>www.integrationsfonds.at/mediathek abrufbar.

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