Integrationsheft III | Traumasensibel Handeln im (DaZ-)Unterricht

mit potenziell traumatisierten, geflüchteten Lernenden.

Katharina Maria Spratler, BA BA BSc MA

Executive Summary
Zum Jahresende 2017 gab es laut des UNHCRs weltweit beinahe 70 Millionen Menschen, die sich auf der Flucht befanden. Viele dieser Menschen kamen und kommen nach wie vor im pädagogischen Kontext mit Lehrkräften in Berührung. Umso mehr stellt sich die Frage, wie mit diesen potenziell traumatisierten Geflüchteten im (DaZ-)Unterricht angemessen umgegangen beziehungsweise traumasensibel gehandelt werden kann. Aus diesem Grund wurde die folgende Forschungsfrage gestellt: Inwiefern ist es für Lehrkräfte möglich, mit potenziell traumatisierten, geflüchteten Lernenden im (DaZ‑)Unterricht traumasensibel zu handeln, aus welchen Gründen ist ein solches Handeln von Relevanz und welche Rahmenbedingungen sind für eine erfolgreiche Umsetzung traumasensibler Handlungen erforderlich? 

Zunächst werden bereits vorhandene Erkenntnisse zu Flucht und Trauma erläutert. Darüber hinaus geht es darum, was es bedeutet, auf der Flucht zu sein und welche Verluste das mit sich bringen kann. Auch inwiefern Flucht und (Sprachen-)Lernen zusammenhängen und welche didaktischen Empfehlungen diesbezüglich bereits vorhanden sind, wird thematisiert. Anschließend wird auf den Zusammenhang von Flucht und Trauma eingegangen, wobei erläutert wird, aus welchen Gründen eine Flucht und die damit verbundenen Erlebnisse zu einem Trauma führen können. Im Anschluss daran werden sowohl verschiedene Typen von Traumata als auch mögliche Kurz- und Langzeitfolgen, Risiko- und Schutzfaktoren vorgestellt. Weiters werden Möglichkeiten zur Unterstützung bei einer Traumatisierung, zum Beispiel über die Förderung von sicheren Orten, geschildert und es wird auf die Beachtung von Sicherheit, Stabilität, Transparenz und klaren Regeln sowie auf die Relevanz einer angemessenen Beziehungsgestaltung eingegangen. Darüber hinaus werden Möglichkeiten zum traumasensiblen Handeln im (DaZ-)Unterricht thematisiert, bevor auf Methoden, um die Lernenden in das Hier und Jetzt zurückzuholen sowie für die Erhaltung der Balance zwischen Nähe und Distanz auf Seiten der Lehrkräfte, eingegangen wird.

Anschließend wird das methodische Vorgehen erläutert. Im Zuge der empirischen Untersuchung wurden fünf Experteninterviews mit Personen aus verschiedenen Professionsbereichen durchgeführt. Zur Ermöglichung des Vergleichs der Interviews wurde ein Leitfaden erstellt. Die Datenaufbereitung erfolgte mit der Software MAXQDA. Im Anschluss daran wurde die Interviewauswertung mit Hilfe der Zusammenfassenden Qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (vgl. Mayring 2010; Mayring/ Brunner 2010; Mayring 2017; Mayring/ Fenzl 2019) durchgeführt. Hierzu wurden zunächst deduktive Kategorien erarbeitet, anhand derer entschieden wurde, welche Transkriptstellen relevant sind, bevor aus diesen Transkriptstellen induktive Kategorien abgeleitet wurden. Bei der Analyse wurde einem Ablaufmodell gefolgt, wobei alle relevanten Transkriptstellen paraphrasiert, generalisiert, reduziert und schlussendlich zu induktiven Haupt- und Oberkategorien sowie zu Unterkategorien auf verschiedenen Ebenen zusammengefasst wurden.

Zu guter Letzt wurden die empirischen Ergebnisse mit der zuvor erarbeiteten Theorie verbunden. Anhand dessen ließen sich vier Aspekte, welche für traumasensibles Handeln mit potenziell traumatisierten, geflüchteten Lernenden im (DaZ-)Unterricht relevant sind, feststellen. Zum einen zeigte sich, wie wichtig traumasensibles Handeln ist, da potenziell traumatisierte, geflüchtete Lernende vielfältige Verhaltensauffälligkeiten zeigen und daraus eine Unvorhersehbarkeit des (DaZ-)Unterrichts für Lehrkräfte resultiert. Weiters konnten die Ziele traumasensibler Handlungen im (DaZ-)Unterricht herausgearbeitet werden. Diese sind ein angemessener Umgang mit den potenziell traumatisierten, geflüchteten Lernenden, deren optimale Unterstützung sowie der Aufbau einer lernförderlichen Beziehung zwischen den potenziell traumatisierten, geflüchteten Lernenden und den Lehrkräften. Darüber hinaus wurden verschiedene Realisierungsmöglichkeiten für traumasensible Handlungen im (DaZ-)Unterricht deutlich. Dies sind didaktische Materialien, wie beispielsweise jene des UNHCRs, die Gestaltung eines sicheren Ortes, das Zurückholen der potenziell traumatisierten, geflüchteten Lernenden in das Hier und Jetzt, das Zuhören bei und das Zulassen von Fluchterzählungen, ein lernendenzentrierter Unterricht sowie eine sensible Unterrichtsplanung. Schlussendlich konnten auch Rahmenbedingungen festgemacht werden, welche für eine erfolgreiche Umsetzung traumasensibler Handlungen im (DaZ‑)Unterricht unabdingbar sind. Dies sind unter anderem die Erhaltung der Balance zwischen Nähe und Distanz bei Lehrkräften, die institutionelle, strukturelle Einbettung von Supervisionen, Fortbildungen und interdisziplinärem Austausch sowie die Reformierung der Lehrerbildung.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es wichtig ist, sich über die verschiedenen Gründe, welche traumasensible Handlungen im (DaZ-)Unterricht notwendig machen, bewusst zu werden, bevor die Ziele dieser traumasensiblen Handlungen festgelegt werden können. Um diese Ziele zu erreichen, existieren unterschiedliche Realisierungsmöglichkeiten im pädagogischen Bereich, auch wenn diese spezifisch für den (DaZ-)Unterricht noch weiter ausgebaut werden sollten. Die erfolgreiche Umsetzung der traumasensiblen Handlungen im (DaZ-)Unterricht ist nur möglich, wenn die dafür relevanten, institutionellen Rahmenbedingungen gegeben sind. Dennoch sind traumasensible Handlungen unabdingbar, da Lehrkräfte im pädagogischen Kontext häufig mit potenziell traumatisierten, geflüchteten Lernenden in Kontakt kommen und eine tragende Rolle für diese Menschen spielen. FORSCHUNGSPREIS INTEGRATION | Traumasensibel Handeln im (DaZ-)Unterricht 7 In weiterführenden Arbeiten wäre es möglich, den Schwerpunkt auf eine spezifische Altersgruppe oder auf einen konkreten Schultyp zu legen, um herauszufinden, ob und inwiefern dies das traumasensible Handeln beeinflusst. Außerdem wäre es sinnvoll, neue Didaktisierungsvorschläge für unterschiedliche Arten des Unterrichts beziehungsweise der Schulstufen zu entwickeln. Zudem könnten die bisherigen Aus- und Fortbildungen für Lehrkräfte im Hinblick auf die Thematiken Flucht, Trauma und traumasensible Handlungen im Unterricht geprüft, mit dem Vorgehen in anderen Ländern verglichen und gegebenenfalls modifiziert werden oder aber es wäre möglich, Verhaltensbeobachtungen im Unterricht durchzuführen, um die Umsetzung traumasensibler Handlungen durch Lehrkräfte zu beleuchten.

Über die Integrationshefte
Die Reihe „Integrationshefte“ präsentiert die Arbeiten junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die mit dem Forschungspreis Integration ausgezeichnet wurden. Der ÖIF fördert mit diesem Preis die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Migration und Integration. Wie ideen- und facettenreich sich die Forschenden mit diesen Themenfeldern auseinandersetzen, ist in den Integrationsheften nachzulesen. Die Integrationshefte bieten den jungen Forscherinnen und Forschern eine breitere Öffentlichkeit und zeigen die Vielfalt der bearbeiteten Themen, Blickwinkel und Forschungsansätze.

Integrationsheft III

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