Integrationsheft VI | Das Motiv des Zwischenden- Welten-seins in den Gedichten Nevfel Cumarts

Von der Zerrissenheit zur Hybridität.

Dr. Bernd Juen

Executive Summary
Literatur allgemein eignet sich hervorragend zum künstlerisch-ästhetisierten Ausdruck von Gedanken, Emotionen und Empfindungen. Sie kann Erfahrungen, die Menschen in der sozialen Wirklichkeit machen, auf eine stilisierte Art und Weise anderen Menschen zugänglich machen, wodurch sie mit jenen, die Literatur rezipieren, geteilt bzw. ihnen mitgeteilt werden kann. Lyrische Dichtung eignet sich zudem sehr gut als Schablone und Vorlage, um eigenes Denken und Empfinden zu strukturieren und in Worte zu fassen. Insofern ermöglicht die Beschäftigung mit Dichtung auch spezifische Lernprozesse. Beide genannten Potentiale schöpft Nevfel Cumart aus, indem er Gedichte verfasst und in Schulklassen weitervermittelt, in denen er kreative Schreibwerkstätten für Kinder und Jugendliche aller Schultypen anbietet.

Ein zentraler Stellenwert im Gesamtwerk der Dichtung Cumarts kommt dem Motiv des Zwischen-den-Welten- seins zu, welches den Identitätskonflikt gerade von türkischstämmigen Mitmenschen in zweiter und dritter Generation behandelt. Den direkten Zugang zu dieser Problematik kennt Cumart aufgrund seiner eigenen Biographie, was er auch immer wieder in Interviews betont. Denn als in Deutschland geborener Sohn nichtalphabetisierter, türkisch-arabischstämmiger Eltern aus Südostanatolien (Adana) hat er im Laufe seiner Sozialisation nicht nur beobachtet, sondern selbst am eigenen Leib erlebt, was es heißt, einen Identitätskonflikt durchzumachen und mit sich selbst auszutragen – um nicht zwischen der deutschen Kultur und der türkischen Kultur verloren zu gehen.

Die besagte Erfahrung eines Identitätskonflikts hat Nevfel Cumart in vielen seiner Gedichte literarisch verarbeitet. Perspektivisch, unter verschiedenen Gesichtspunkten veranschaulichen seine Gedichte mannigfach Aspekte des Dilemmas, zwischen zwei Welten zu sein und nicht zu wissen, wohin man gehört.

Eine tiefere Auseinandersetzung mit seinen Gedichten ermöglicht somit ein umfassendes Verständnis für die Situation vieler Menschen mit Fluchtund Migrationshintergrund, die sich mit denselben Problemen und Unsicherheiten plagen wie das lyrische Ich in vielen Gedichten Nevfel Cumarts.

Das Wissen, welches aus der Auseinandersetzung mit Cumarts Literatur geschöpft werden kann, ist somit beileibe kein rein literaturwissenschaftlich-philologisch relevantes Wissen, sondern Wissen, welches unmittelbare Relevanz für das Verständnis gesellschaftlicher und lebensweltlicher Wirklichkeit hat. In diesem Zusammenhang bieten Einblicke in die Dichtung Cumarts die Möglichkeit, mehr Empathie und Sensibilität für die Situation von Menschen zu entwickeln, welche einen fremdländischen kulturellen Hintergrund haben, aber hier leben, Teil der Gesellschaft sind und – wie alle Menschen – ihren Platz in der Gemeinschaft suchen.

Eine Analyse der Gedichte Cumarts gibt also weitreichende Einblicke in Facetten des Zwischen-den-Welten- seins und die damit verbundenen Konfliktdynamiken. Darüber hinaus lassen sich aus der systematischen Betrachtung der Cumart’schen Dichtung ebenfalls Erkenntnisse gewinnen, die man lösungsorientiert einsetzen kann, um Menschen dabei zu begleiten, nicht zwischen den Kulturen verloren zu gehen, das Dazwischen- und Anderssein nicht als Ausweglosigkeit zu sehen, sondern als Möglichkeit, eine hybride Identität herauszubilden: ‚Sowohl-alsauch‘ anstelle eines ‚Entweder-oder‘.

Dieser Beitrag, eine Kurzfassung der Dissertation Das Motiv des Zwischenden- Welten-seins in den Gedichten Nevfel Cumarts, dient dazu, beschriebenes Dilemma sowie die Möglichkeiten zur Hybridität anhand der Betrachtung von Lyrik und Lebenslauf des Dichters Cumart näherzubringen. Dabei sei darauf verwiesen, dass der tatsächliche Werdegang des Dichters und viele Schilderungen des lyrischen Ichs vieler seiner Gedichte tatsächlich untrennbar miteinander verbunden sind.

 

Über die Integrationshefte
Die Reihe „Integrationshefte“ präsentiert die Arbeiten junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die mit dem Forschungspreis Integration ausgezeichnet wurden. Der ÖIF fördert mit diesem Preis die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Migration und Integration. Wie ideen- und facettenreich sich die Forschenden mit diesen Themenfeldern auseinandersetzen, ist in den Integrationsheften nachzulesen. Die Integrationshefte bieten den jungen Forscherinnen und Forschern eine breitere Öffentlichkeit und zeigen die Vielfalt der bearbeiteten Themen, Blickwinkel und Forschungsansätze.

Integrationsheft VI

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