Integrationsheft V | Frauen auf der Flucht
Executive Summary
In der vorliegenden Arbeit wurden die Arten von frauenspezifischen Fluchtursachen in Somalia behandelt und die Einflüsse tradierter Geschlechterverhältnisse und der weiblichen Genitalbeschneidung im Kontext der Fluchtursachen analysiert. Voranzustellen ist, dass es in den meisten Fällen mehrere Fluchtursachen gibt. Die primäre Fluchtursache stellt in dieser Arbeit die frauenspezifische Gewalt beziehungsweise Verfolgung, die an das weibliche Geschlecht anknüpft, dar (vgl. Sharpe 2018: 116 & Bamarni 2015: 15). Somalias Gesellschaft ist patriarchal und kulturell geprägt. Hinzu kommt, dass das Land seit nahezu drei Jahrzehnten an einem Bürgerkrieg leidet, der 1991 ausbrach (Horst 2017). Besonders Frauen stellen in diesem Zusammenhang eine vulnerable Bevölkerungsgruppe dar, da sie in diesen Kontexten oftmals frauenspezifische Gewalt erleiden. Inwiefern und in welchen Zusammenhängen frauenspezifische Gewalt eine Fluchtursache darstellt und welche Rolle tradierte Geschlechterverhältnisse dabei spielen, wird in der vorliegenden Arbeit untersucht. Es handelt sich bei dieser Arbeit um einen Auszug aus der Bachelorarbeit „Frauen auf der Flucht: Frauenspezifische Fluchtursachen in Somalia“. Die vollständige Bachelorarbeit kann auf Nachfrage von der Autorin bereitgestellt werden.
Neben der klassischen Literaturrecherche und den bearbeiteten Studien, die vor allem die familiäre sowie außerfamiliäre psychische, physische und sexuelle Gewalt, Zwangsheirat und die weibliche Genitalbeschneidung beziehungsweise die Angst davor als Fluchtursachen nannten, wurden diese Daten mithilfe von zwei qualitativen Interviews mit somalischen Frauen mit Fluchterfahrung verglichen (Connor et al. 2016a, Byrskog et al. 2014, Jesuthasan et al. 2018). Die Auswertung erfolgte mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2015). Die Stichprobe stellt sich zwar nicht als repräsentativ dar, ermöglichte jedoch einen Einblick in die Lebenswelten zweier somalischer Frauen, denen ich für Ihre Interviewbereitschaft meinen tiefen Dank aussprechen möchte. Beide Zugänge wiesen die oben genannten frauenspezifischen Fluchtursachen als solche aus. Der empirische Zugang verwies hierbei primär auf die frauenspezifische Gewalt durch den Bürgerkrieg und Al-Shabaab, wobei beide Frauen bestätigen, dass es mehrere Gründe für ihre Flucht gab. Die weibliche Genitalbeschneidung spielt, im Gegensatz zu der frauenspezifischen Gewalt, eine untergeordnete Rolle hinsichtlich der (Haupt-) Fluchtursachen. Dies ist vermutlich auf die Tatsache zurückzuführen, dass die frauenspezifische Gewalt in manchen Fällen eine dominantere Rolle spielt als die kulturell „eingebettete“ weibliche Genitalbeschneidung, die oftmals von Mädchen und Frauen angestrebt und nicht hinterfragt wird (McNeely & De Jong 2016). Des Weiteren basieren die tradierten Geschlechterverhältnisse auf einer Ungleichheit, die hauptsächlich auf die patriarchale Gesellschaftsstruktur, auf das Nomadentum, das Klansystem sowie auf Fehlinterpretationen von Koran und Scharia zurückzuführen sind. Deren Wirkung in Form von (gewalttätiger) Machtausübung und Dominanz könnte, welche Flucht zur Folge haben können (Gardner & El- Bushra 2016).
Es ist festzuhalten, dass die Mehrheit somalischer Frauen in zahlreichen Bereichen des Lebens benachteiligt sind und die tradierten Geschlechterverhältnisse indirekt, in Form von familiärer und außerfamiliärer sexueller, physischer und psychischer Diskriminierung, Auswirkung auf die Flucht von Frauen haben. Grundsätzlich lässt sich ein kausaler Zusammenhang zwischen frauenspezifischer Gewalt und Flucht feststellen.
Über die Integrationshefte
Die Reihe „Integrationshefte“ präsentiert die Arbeiten junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die mit dem Forschungspreis Integration ausgezeichnet wurden. Der ÖIF fördert mit diesem Preis die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Migration und Integration. Wie ideen- und facettenreich sich die Forschenden mit diesen Themenfeldern auseinandersetzen, ist in den Integrationsheften nachzulesen. Die Integrationshefte bieten den jungen Forscherinnen und Forschern eine breitere Öffentlichkeit und zeigen die Vielfalt der bearbeiteten Themen, Blickwinkel und Forschungsansätze.