08.09.2023, 09:28 Uhr

ÖIF-Faktencheck: Alphabetisierungsbedarf unter Flüchtlingen im Fokus

Fakten sind die Grundlage einer sachlichen, lösungsorientierten Diskussion. Dieser ÖIF-Faktencheck widmet sich dem Alphabetisierungsbedarf unter Flüchtlingen in Österreich.

Der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF) stellt laut Integrationsgesetz Deutschkurse für Flüchtlinge – das sind Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte – zur Verfügung und hat allein 2022 rund 66.000 Kursplätze in ganz Österreich auf den Sprachniveaus Alphabetisierung bis C1 zur Verfügung gestellt. In der Analyse der Einstufungs- und Teilnahmeergebnisse zeigt sich, dass der Anteil von Personen mit Alphabetisierungsbedarf in den letzten Jahren stark gestiegen ist.

 

1 „Personen mit Alphabetisierungsbedarf können weder lesen noch schreiben.“
Je nachdem; hier muss zwischen zwei Arten von Alphabetisierungsbedarf unterschieden werden: Die erste Gruppe sind (primäre) Analphabeten, das sind Personen, die auch in der Muttersprache nicht oder nur wenig lesen und schreiben gelernt haben. Die zweite Gruppe sind Zweitschriftlernende, die zwar in einem anderen Schriftsystem wie z.B. in der arabischen Schrift schreiben und lesen können, aber die das lateinische Schriftsystem noch nicht erlernt haben.
Unter Personen mit Zuerkennung im Jahr 2022, die erstmals einen Deutschkurs nach Integrationsgesetz besucht haben und Alphabetisierungsbedarf aufwiesen, waren 49 % primäre Analphabeten und 51 % Zweitschriftlernende.

2. „Alle Personen mit Alphabetisierungsbedarf sind Analphabeten“
Das stimmt so nicht: Personen mit Alphabetisierungsbedarf können (primäre) Analphabeten sein. In diese Gruppe fallen aber auch jene Personen, die in sonst einer Sprache alphabetisiert sind, aber die das lateinische Schriftsystem noch nicht erlernt haben.
Wie oberhalb ausgeführt war die Verteilung 2022 rund halb/halb.

3. „Zweitschriftlernende können gut gebildet sein“
Das ist möglich, aber: In vielen Ländern der Welt – darunter auch die größten Flüchtlings-Herkunftsländer Syrien, Afghanistan, Irak und Iran – wird eine Fremdsprache mit lateinischer Schrift (zumeist Englisch, aber auch Französisch) spätestens ab der 7. Klasse unterrichtet. Personen mit hohem Bildungsniveau aus diesen Ländern haben also in der Regel bereits in der Schule die lateinische Schrift erlernt und sind dann entsprechend keine Zweitschriftlernenden.
Konkret hatten 2022 ungefähr zwei Drittel der Zweitschriftlernenden 9 Jahre Schulbildung oder weniger; sprich: ein niedriges Bildungsniveau. Bei primären Analphabeten geht die Schulbildung in der Regel kaum über die Volksschule hinaus. 60% von ihnen hatten 2022 keinen Pflichtschulabschluss, ungefähr 20% haben gar keine Schule besucht.

4. „7 von 10 Flüchtlinge sind Analphabeten“
Falsch – Hier ist es wieder wichtig, zwischen Analphabeten und Personen mit Alphabetisierungsbedarf zu unterscheiden! Flüchtlinge erhalten laut Integrationsgesetz beim ÖIF Beratungen, Werte- und Orientierungs- und Deutschkurse. Von den Flüchtlingen mit Zuerkennung im Jahr 2022 wurde vor dem ersten Deutschkurs bei 7 von 10 Personen ein Alphabetisierungsbedarf festgestellt, davon jeweils rund die Hälfte (primäre) Analphabeten und Zweitschriftlernende. Dieser Wert war aber nicht bei allen Zuerkennungs-Jahrgängen so hoch. Der Anteil von Personen mit Alphabetisierungsbedarf ist in den letzten Jahren stark gestiegen: Unter den Personen mit Zuerkennung 2019 waren es beispielsweise noch knapp 5 von 10 (48 %).

5. Wie muss man sich den typischen Alpha-Teilnehmer oder Teilnehmerin vorstellen?
Statistisch gesehen sind die Flüchtlinge mit Alphabetisierungsbedarf im Jahr 2022 am häufigsten männlich (84 %) und aus Syrien (86 %).
Da Flüchtlinge insgesamt eher jung sind, sind die meisten Flüchtlinge mit Alphabetisierungsbedarf (2022) ebenfalls sehr jung – drei Viertel sind unter 35 Jahren (36% 15-24; 39% 25-34).


6. „Zuwander/innen mit Alphabetisierungsbedarf lernen meist gar nie richtig deutsch“
Grundsätzlich können auch Erwachsene das Lesen- und Schreiben lernen nachholen und anschließend Deutsch lernen. Dieser Prozess dauert aber im Durchschnitt deutlich länger, bedarf mehr Kursen und endet statistisch gesehen auch in geringeren Deutschkenntnissen als unter Personen, die ohne Alphabetisierungsbedarf in einen Deutschkurs starten: 75 % der Alphakursteilnehmer/innen mit Zuerkennungen von 2015 bis 2019 haben (nach mindestens 4 Jahren in Österreich) nicht mittels Prüfung das A2-Niveau abgeschlossen, bei den Kursteilnehmer/innen ohne Alphabetisierungsbedarf aus den gleichen Jahren haben bereits 48 % das B1-Niveau abgeschlossen und verfügen demnach über „gute Deutschkenntnisse“.

7. Wer nicht alphabetisiert ist, kann keiner Arbeit nachgehen und kein Geld verdienen.
Falsch. Eine repräsentative Befragung von Deutschkurs-Teilnehmer/innen zeichnet ein anderes Bild: Unabhängig vom erreichten Sprachniveau war ungefähr ein Viertel der Personen bereits erwerbstätig, auch ist kein proportionaler Anstieg der Berufstätigkeit mit aufsteigendem Sprachniveau feststellbar. Erwerbstätigkeit ist demnach schon bei niedrigen Niveaus möglich, der ÖIF hat die Plätze für Deutsch- und Alphabetisierungskurse auch zu Randzeiten ausgebaut, um Arbeiten und paralleles Deutschlernen möglichst gut vereinbar zu machen.

8. 26 Buchstaben zu lernen, kann doch nicht so lang dauern!
Alphabetisierung bedeutet mehr, als alle Buchstaben einer Sprache zu kennen und anwenden zu können. Primäre Analphabet/innen bzw. Menschen mit geringer oder keiner Schulbildung benötigen außerdem Zeit, um gewisse Basiskompetenzen aufzubauen. Dazu gehören neben den Buchstaben beispielsweise auch die Lautwahrnehmung, der Wortschatz oder aber die Konventionen des Schreibens.
Ziel eines Alphakurses ist es schließlich, nicht nur einzelne Buchstaben zu erkennen, sondern einfache und alltagsrelevante Sätze oder Texte in Deutsch lesen, verstehen und schreiben zu können, um fit für einen A1-Deutschkurs zu sein.

9. Wie gut muss man eigentlich Deutsch lernen?
Im Integrationsgesetz ist festgeschrieben, dass Flüchtlinge, die ihren Status ab 01.01.2015 erhalten haben, Deutschkurse bis zum B1-Niveau besuchen müssen. Sanktioniert wird diese Pflicht nur bei Personen, die Sozialhilfe/Mindestsicherung beziehen und nicht bei arbeitstätigen Personen. Für den Arbeitsmarkt sind je nach Beruf sehr unterschiedliche Deutschkenntnisse notwendig, hier gibt es Einsteigerjobs, die man bereits mit geringen Deutschkenntnissen ausführen kann, ebenso wie hochqualifizierte Tätigkeiten, die ein Mindestmaß an Sprachbeherrschung verlangen. Ein wesentlicher Aspekt ist natürlich auch die gesellschaftliche Teilhabe, für die Sprachkenntnisse ein zentraler Faktor sind.


Dem ÖIF liegen Auswertungen über Personen mit Alphabetisierungsbedarf im Rahmen des ÖIF-Data-Warehouse vor. Darin erfasst werden Personen, die ihre Statuszuerkennung erhalten haben und somit für ÖIF-Deutsch- und Alphabetisierungskurse zugelassen sind.

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