05.05.2023, 14:45 Uhr

Selbstbestimmung von Zuwanderinnen stärken

ÖIF-Podiumsgespräch über Geschlechterrollen im Integrationskontext

Podiumsgäste

© Olha Soldatenko

Podiumsgäste

v.ln.r.: Ahmed Toprak, Filloreta Bennett, Emina Saric, Christina Traar, Brigitt Haller, Sabina Džalto, Roland Goiser © Olha Soldatenko

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Auf Einladung des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) fand am 4. Mai im Volkskundemuseum in Graz eine Podiumsdiskussion unter dem Titel „Geschlechterrollen: Wie wir die Selbstbestimmung von Migrantinnen fördern und welche Rolle Männer dabei spielen“ statt. Unter der Leitung von Christina Traar, Innenpolitikredakteurin der Kleinen Zeitung, diskutierten Birgitt Haller, Sozialwissenschaftlerin und wissenschaftlicher Leiterin des Instituts für Konfliktforschung (IKF), Emina Saric, Bildungsmanagerin, Lehrende und Mitglied des Expertenrates für Integration, Ahmet Toprak, Professor für Pädagogik an der FH Dortmund und Autor und Sozialbegleiterin und Integrationsbotschafterin Filloreta Bennett. Schwerpunkte der Veranstaltung waren die Selbstbestimmung und Gleichberechtigung, der Einfluss patriarchaler Strukturen und Regeln auf die Entwicklung von Mädchen und jungen Frauen und Burschen sowie die damit verbundenen Herausforderungen bei der Integration.

Haller: „Aufklärungsarbeit bei den Eltern und in der Community.“
Brigitt Haller forschte zuletzt für den ÖIF zu Zwangsehe im Kontext von Migration und Integration, es wird von rund 200 Fällen pro Jahr in Österreich ausgegangen: „Auffällig ist, dass viele der betroffenen Mädchen sehr gut Deutsch sprechen und somit in der Lage sind, sich Unterstützung zu suchen.“ Die Covid-Jahre 2020/21 seien hier trotzdem problematisch gewesen: „In den Schulen können Alarmzeichen schneller gesehen werden. Durch Homeschooling ist die schulische Kontrolle weggefallen. Grenzen zwischen Zwangsehen und arrangierten Ehen sind fließend. Arrangierte Ehen sind auch nicht freiwillig.“ Wesentlich sei neben den Unterstützungsstrukturen, die in Österreich gut aufgestellt seien, auch Aufklärungsarbeit bei den Eltern und in den Communities. Die Ergebnisse zur Studie sind hier zu finden.

Saric: „Mit Frauen und Männern an traditionellen Geschlechterrollen arbeiten.“
Bildungsmanagerin und Integrationsexpertin Emina Saric spricht sich für die Reflexion der eigenen Überlegungen hinsichtlich traditioneller Geschlechterrollen aus: „Frauen in segregierten migrantischen Milieus bleiben deutlich öfter dem Arbeitsmarkt fern, da die Vorstellung von Frau-Sein eine traditionelle ist. Das bedeutet, dass eine „ehrenhafte“ Frau zuhause bleiben, die weiblich konnotierten Arbeiten verrichten muss – wie z.B. Kindererziehung, Haushaltsarbeit oder Pflege der Schwiegereltern. Diese Rollenklischees entstehen durch das traditionelle Rollenbild der Frau sowie Vorstellungen, was und wie eine Frau sein darf. Die Integrationsarbeit besteht auch darin, auf die Nachteile und Folgen der traditionellen Geschlechterrollen hinzuweisen sowie Strategien gemeinsam mit Frauen und Männern zu entwickeln, diese zu überwinden.“

Toprak: „Mütter für Veränderung gewinnen.“
Auch Ahmet Toprak, Pädagogikprofessor und Autor des Buches „Männlich. Muslimisch, Desintegriert. Was bei der Erziehung muslimischer Jungen schiefläuft“ erklärt: „Männer stimmen oft zu, wenn es darum geht, traditionelle Geschlechterrollen zu pflegen, denn sie profitieren von mehr Freizeit oder mehr Geld. Man tut aber schon den Jungs in der Erziehung nichts Gutes, wenn sie zwar mehr Freiheiten als Mädchen und wenig Verantwortung bekommen. Untersuchungen zeigen, dass etwa 30 bis 40 Prozent der Menschen mit Migrationshintergrund die Geschlechterrollen sogar strenger ausleben, als in ihren Herkunftsländern. Vielfach wohl aus Angst, Normen und Werte aufzugeben. Es sind hier aber oft auch Mütter in der Verantwortung, die selbst konservativ erzogen wurden und keine anderen Modelle kennen. Wichtig ist es, Mütter für Veränderungen zu gewinnen. Denn diese sind es häufig in den Familien, die die Meinung reproduzieren.

Bennett: „Sehe große Änderungen in der Erziehung.“
Die österreichisch-kosovarische Sozialbegleiterin und Integrationsbotschafterin Filloreta Bennett setzt sich mit patriarchalen Strukturen und Geschlechterrollen im Kontext von Integration auseinander: „Ich selbst wurde in eine untergeordnete Frauenrolle hineinerzogen. Deshalb ist es mir besonders wichtig, meinem Sohn zu zeigen, dass Mädchen nicht weniger wert sind als Jungs. Genauso ist es mir wichtig, dass Jungs ihre Gefühle schon im frühen Alter kennenlernen und somit auch lernen mit diesen umzugehen. Kinder sollen die Möglichkeit haben Kinder zu sein. Dazu gehören eben auch Emotionen und die Bewältigungsstrategie. Unterdrückung und hineinpressen in Geschlechterrollen führt zu Aggression und Wut. Und Mädchen fehlt es oft an Wertschätzung, es wird ihnen keine Selbstachtung beigebracht. Was ich aber gerade bei jungen Menschen sehe ist, dass es zu großen Änderungen in der Erziehung kommt, weil sie ihre eigene Erziehung reflektieren. Was ich aber auch sehe ist, dass Social Media oft altes Denken verstärkt und unhinterfragt propagiert, wenn es um klassische Geschlechterrollen geht – das ist gefährlich.

Der Österreichische Integrationsfonds lädt regelmäßig Wissenschaftler/innen, Autor/innen, bildende Künstler/innen, Historiker/innen und Philosoph/innen zu Podiumsgesprächen und Lesungen, um aktuelle Entwicklungen in der Gesellschaft und Integration aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten. Alle Veranstaltungsdetails und Anmeldungsinformationen finden Sie zeitnah auf www.integrationsfonds.at/veranstaltungen.

 

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