ÖIF-Forschungsbericht: Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen weiterhin vor Herausforderungen
Im Auftrag des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) analysierten der Migrations- und Bevölkerungsforscher Rainer Münz und Synthesis Forschung die Zuwanderungs- und Erwerbsbiografien von Flüchtlingen (Asyl- und subsidiär Schutzberechtigten) aus Syrien, Afghanistan und der Russischen Föderation/Tschetschenien, Drittstaatsangehörigen sowie Migrant/innen aus der EU. Neben dem Stand der Erwerbsintegration von Personen aus den vier Zuwanderungsjahren 2000, 2015, 2016 und 2019 wurden auch die Bereiche Grundversorgung und Arbeitsmarktintegration inklusive in Anspruch genommener Qualifizierungsmaßnahmen beim AMS in Zusammenhang mit der Arbeitsmarktintegration ausgewertet. Die Ergebnisse zeigen u.a.,
- dass rund die Hälfte der 2015 nach Österreich gekommenen anerkannten Flüchtlinge und subsidiär schutzberechtigten Personen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, das bedeutet sie sind entweder erwerbstätig oder beim AMS als arbeitslos vorgemerkt
- dass unter Frauen die Arbeitsmarktintegration deutlich langsamer verläuft als bei Männern gleicher Herkunft: Fünf bzw. sechs Jahre nach der Zuwanderung ist erst eine von fünf Frauen ausreichend beschäftigt.
- dass viele Personen, die in Österreich Asyl oder subsidiären Schutz erhalten haben, langfristig nicht in Österreich bleiben.
Die Analyse basiert auf der Datenbank des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger, der Statistik Austria und des AMS und stellt die Erwerbsverläufe der ausgewählten Migrantengruppen von der Grundversorgung bis zur Arbeitsmarktintegration dar. Der vollständige Forschungsbericht ist in der ÖIF-Mediathek abrufbar.
Viele Flüchtlinge bleiben nicht dauerhaft in Österreich
Der Forschungsbericht zeigt, dass nicht alle Flüchtlinge dauerhaft in Österreich bleiben. Personen, die 2015 nach Österreich kamen, blieben eher in Österreich als Personen, die in den Folgejahren flüchteten. Dies ist vor allem auf ist die stärkere Abnahme der Aufenthaltsverfestigung von Männern (55,6% Jahrgang 2015 auf 30,9% beim Jahrgang 2019) im Vergleich zu jener der Frauen (77,5% Jahrgang 2015 und 76,2% Jahrgang 2019) zurückzuführen. Syrer/innen verbleiben am ehesten in Österreich.
Einstieg in den Arbeitsmarkt ist wichtiger Indikator für Integrationsprozess
Der Forschungsbericht zeigt weiter, wie wichtig der Einstieg in den Arbeitsmarkt als Indikator für den Verlauf des Integrationsprozesses ist. Erwerbstätigkeit und die damit verbundene Selbsterhaltungsfähigkeit begünstigen ein Fußfassen in der österreichischen Gesellschaft. Asylwerber/innen erhalten während ihres laufenden Asylverfahrens die sogenannte Grundversorgung, die Unterbringung, Verpflegung und ein monatliches Taschengeld umfasst. Im Jahr nach der Grundversorgung stand circa die Hälfe der 2015 nach Österreich gekommenen Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigten dem Arbeitsmarkt zur Verfügung und waren entweder erwerbstätig oder beim AMS vorgemerkt. Bei den Flüchtlingen, die 2016 nach Österreich kamen und noch in Österreich leben, waren dies nach einem Jahr deutlich weniger, nämlich rund 28 Prozent.
Fluchtbewegung 2015: Drei Viertel der Syrer/innen schaffen Einstieg auf Arbeitsmarkt
Am häufigsten gelingt Flüchtlingen aus Syrien der Weg in den Arbeitsmarkt: Drei Viertel (75,7%) der Syrer/innen, die 2015 nach Österreich kamen, waren im Jahr nach dem Ende der Grundversorgung erwerbstätig oder zumindest beim AMS vorgemerkt; beim Jahrgang 2016 sind es noch beinahe zwei Drittel (65,5%). Seltener ist dies bei Geflüchteten aus Afghanistan der Fall: 43,5 Prozent aus dem Jahrgang 2015, rund ein Viertel (26,8%) des Jahrganges 2016. Rainer Münz: „Männer aus Syrien und aus Afghanistan schaffen den Übergang in die Erwerbstätigkeit am ehesten. Nach fünf bis sechs Jahren Aufenthalt sind rund 60 Prozent von ihnen erwerbstätig. Das ist ein klarer Beleg für die Aufnahmefähigkeit des österreichischen Arbeitsmarkts.“
Niedrige Beschäftigungsquote: 6 von 10 Frauen mit Fluchthintergrund sind berufstätig
„Frauen mit Fluchthintergrund sind im Schnitt deutlich seltener erwerbstätig als Männer gleicher Herkunft. Die verzögerte und viel seltenere Erwerbsintegration geflüchteter Frauen hat nicht bloß mit geringerer Qualifikation zu tun, sondern ist auch durch das mitgebrachte Kultur- und Rollenverständnis bedingt.“, so Rainer Münz. Frauen sind deutlich seltener als Männer erwerbstätig. 21 Jahre nach Zuwanderung liegt die Beschäftigungsquote von weiblichen Flüchtlingen bei 60 Prozent (Männer 72%), nach sechs Jahren ist erst ein Anteil von 22 Prozent erreicht (Männer 65%). Bei Zuwandererinnen aus Drittstaaten liegt die Beschäftigungsintegration von Frauen sogar deutlich unter jener der Männer (ab dem Zuwanderungsjahrgang 2015 je rund 20 Prozentpunkte). Auch bei Frauen aus der Türkei bleibt die Arbeitsmarktintegration auch 5 Jahre nach Zuwanderung niedrig (jeweils 42% bei den Jahrgängen 2015 und 2016). Im Geschlechtervergleich sticht insbesondere die Zuwanderungsgruppe der Tschetscheninnen und Tschetschenen heraus: Hier liegen die Beschäftigungsquoten der Zuwanderungsjahrgänge seit 2015 deutlich unter dem Durchschnitt – nach zwei Jahren beträgt sie nur 8 Prozent, nach fünf Jahren 16 Prozent bzw. nach sechs Jahren 28 Prozent. Während die Quoten bei Frauen wie bei allen anderen Gruppen niedrig sind, weisen auch tschetschenische Männer im Vergleich zu Männern anderer Zuwanderungsgruppen auffallend niedrige Quoten auf (35% Jahrgang 2015 und 21% Jahrgang 2016). 2015 sind rund 900 Tschetschen/innen nach Österreich zugewandert. Zum Vergleich: Laut Statistik Austria lag die Erwerbstätigenquote von Frauen ohne Migrationshintergrund (2021) bei rund 71 Prozent.
Keine pandemiebedingten Einbrüche bei der Erwerbsintegration
Bei der Beschäftigungsquote ist, außer beim Zuwanderungsjahrgang 2000, ein meist kontinuierlicher Anstieg festzustellen. Der Anstieg fällt bei Flüchtlingen zum Teil sogar kräftig aus (Plus von mehr als zehn Prozentpunkten zwischen 2020 und 2021), allerdings von einem niedrigen Niveau kurz nach der Zuwanderung ausgehend. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es in Bezug auf die Erwerbsintegration der Zuwandernden keine „pandemiebedingten“ Einbrüche gegeben hat: die Erwerbskarrieren in den Jahren 2019 bis 2021 sowohl der bereits vor längerer Zeit als auch der vor kurzem Zugewanderten verlaufen relativ unbeeinflusst von den Auswirkungen durch die Covid-19 Pandemie.
ÖIF-Publikationen zum Herunterladen
Die vorangegangenen Forschungsberichte Erwerbsverläufe von Migrant/innen (2019) und Erwerbsverläufe von Migrant/innen II (2020) stehen ebenfalls in der ÖIF-Mediathek zur Verfügung.