30.04.2023, 12:21 Uhr

IHS-Forschungsbericht für ÖIF zu Herausforderungen beim Bildungsaufstieg für Migrant/innen

Analyse von Bildungszielen von Jugendlichen und Eltern mit Migrationshintergrund / Zunehmend niedriger Bildungsstand bei erwachsenen Flüchtlingen; erschwerter Aufstieg für Kinder

Im Auftrag des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) analysierten Hermann Kuschej und Erich Kirchler vom Institut für Höhere Studien (IHS) die Bildungsziele jugendlicher Migrant/innen und deren Eltern in Österreich: Welcher Stellenwert wird Bildung beigemessen? Welche Abschlüsse werden angestrebt? Wie stellen sich die Befragten die Rolle und den Einstieg auf dem Arbeitsmarkt vor? Befragt wurden Jugendliche und Eltern mit Wurzeln in Syrien, Afghanistan, Tschetschenien, Bosnien/Kroatien/Serbien sowie der Türkei. Der gesamte Forschungsbericht findet sich hier.
 

In den qualitativen Interviews mit Eltern und Jugendlichen zeigen sich deutliche Unterschiede in Bezug auf Bildungsaspirationen und intrinsische Motivation: So sind die befragten Migrant/innen aus Syrien, Afghanistan und Tschetschenien, die zumeist in erster Generation nach Österreich gekommen sind, stark auf das Vorankommen der eigenen Kinder fokussiert; dem Gelingen der Bildungskarriere wird eine große Bedeutung zugeschrieben. Demnach entscheiden in der Wahrnehmung dieser befragten Migrant/innen viel mehr die eigenen Leistungen und Anstrengungen über Erfolg und das eigene Vorankommen in der Gesellschaft und weniger Merkmale wie z.B. die soziale Herkunft oder das Geschlecht. In der Gruppe der ehemaligen Gastarbeiter/innen hingegen sind die Eltern vergleichsweise stärker auf Arbeitseinstieg und weniger auf Bildungschancen der Kinder fokussiert. In einem patriarchal geprägten Rollenverständnis stehen für männliche Familienmitglieder mehr Erwerb und Einkommen im Vordergrund und weniger ein Bildungsabschluss.

Einstieg ins Bildungssystem: Je später, desto schwieriger
Je später Kinder mit Migrationshintergrund ins österreichische Bildungssystem einsteigen, desto schwieriger ist das Auf- bzw. Nachholen schulischer Ausbildung. Hingegen holen Kinder, die gleich von Anfang an ihre Schulkarriere in Österreich starten, schneller Bildungsrückstände auf. Wenn es sich bereits um Jugendliche am Ende des Pflichtschulalters handelt, fällt ein erfolgreicher Einstieg ins Bildungssystem sehr viel schwerer. Die Eltern selbst schaffen den Einstieg auf den Arbeitsmarkt oft nur schwer: So lag die Erwerbstätigenquote bei Menschen aus Afghanistan, Syrien und dem Irak 2021 bei 38% (Quelle: Statistisches Jahrbuch 2022).

Zugewanderte Frauen haben oft höhere Bildung, sind aber seltener im Arbeitsmarkt
Zugewanderte Frauen haben oft höhere Bildungsabschlüsse als männliche Zuwanderer, sind dennoch deutlich öfter nicht-erwerbstätig und finden schwerer in den Arbeitsmarkt – sowohl als männliche Zuwanderer, als auch als Frauen ohne Migrationshintergrund. Sie stehen somit dem Arbeitsmarkt seltener zur Verfügung. Denn während im Jahr 2019 gebürtige Österreicherinnen im erwerbsfähigen Alter zu über 90% dem Arbeitsmarkt zur Verfügung standen (erwerbstätig oder arbeitslos), ist das in der Gruppe der europäischen Drittstaaten (mehrheitlich Russische Föderation) nur zu 70% der Fall. Besonders stark ist diese Diskrepanz bei Personen mit Geburtsort in der Türkei: Während rund 90% der 30 bis 64-jährigen Männer türkischer Herkunft erwerbstätig oder arbeitslos und somit 10% nicht erwerbsaktiv sind, ist das bei fast einem Drittel der Frauen dieser Gruppe der Fall.

Pflichtschule und Lehre: Afghanische Mädchen seltener in Lehre und weiterer Ausbildung
Die Datenanalyse zeigt auch deutliche Unterschiede je nach Schultypen: Afghanische männliche Jugendliche beginnen nach der Pflichtschule, im Vergleich zu beispielsweise syrischen männlichen Jugendlichen, viel öfter eine Lehre und besuchen seltener eine AHS. Syrische weibliche Jugendliche sind zu einem höheren Anteil an AHS zu finden, während männliche Jugendliche mit syrischen Wurzeln öfter an Berufsschulen anzutreffen sind. Nachdem weibliche afghanische Jugendliche im Alter zwischen 6 und 19 Jahren aber weder vermehrt eine Lehre absolvieren noch eine AHS besuchen, sondern sich stattdessen zu über 70% in der Volksschule oder HS/MS/Poly befinden, ist anzunehmen, dass afghanische Mädchen häufig nach der Pflichtschule keine weitere schulische oder berufliche Ausbildung fortsetzen. Afghan/innen haben im Vergleich zu den anderen Vergleichsgruppen den geringsten Anteil abgeschlossener Schulbildung.

Bildungsstand von Flüchtlingen: 7 von 10 haben Alphabetisierungsbedarf
Die größten Gruppen unter den Asyl- und subsidiär Schutzberechtigten sind gegenwärtig Personen aus Syrien sowie aus Afghanistan, bei den Neuzuerkennungen ist der Bildungsstand deutlich gesunken: 7 von 10 Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte, die in den letzten 12 Monaten Asyl erhielten und einen Deutschkurs nach Integrationsgesetz besuchen, weisen einen Alphabetisierungsbedarf auf. In den letzten drei Jahren hat dieser Wert um die Hälfte zugenommen (2019: 48%), bei Männern sogar um 80% (41% gegenüber 73%). Ungefähr die Hälfte der Personen mit Alphabetisierungsbedarf konnte in keiner Sprache lesen und schreiben und besuchte einen Grundalphakurs (50,4%), die andere Hälfte waren Zweitschriftlernende (49,6%).

Jobeinstieg: Herausforderungen bei Integration von Migrant/innen auf Arbeitsmarkt
Aktuelle Ergebnisse des kürzlich erschienenen Forschungsberichts „Erwerbsverläufe von Migrant/innen III“ von Synthesis Forschung und Migrations- und Bevölkerungsforscher Rainer Münz beleuchten die Herausforderungen beim Arbeitsmarkteinstieg von Flüchtlingen und Migrant/innen: Bei den Flüchtlingen, die 2016 nach Österreich kamen und noch in Österreich leben, standen nur rund 28 Prozent im Kalenderjahr nach dem Ende der Grundversorgung dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Dabei sind Frauen mit Fluchthintergrund im Schnitt deutlich seltener erwerbstätig als Männer gleicher Herkunft. Um Flüchtlinge und Migrant/innen beim Arbeitsmarkteinstieg zu unterstützen, bietet der ÖIF berufsbegleitende Online-Deutschkurse an (sprachportal.at), im Rahmen so genannten ÖIF-Karriereplattformen werden Asylberechtigte gemeinsam mit Unternehmen über Einstiegsmöglichkeiten in den Arbeitsmarkt, auch mit noch geringen Sprachkenntnissen, informiert.

Über den Forschungsbericht „Bildungsaspirationen jugendlicher Migrant/innen“
Im Rahmen des Forschungsberichts „Bildungsaspirationen jugendlicher Migrant/innen“ wurden von Jänner bis Mai 2022 Interviewpartner/innen aus sieben Ländern (Afghanistan, Syrien, Tschetschenien, Bosnien, Kroatien, Kosovo/Albanien, Türkei) sowie Expert/innen zu Berufs- und Ausbildungsaspirationen befragt. Ergänzt wurde die qualitative Untersuchung um eine umfangreiche Analyse demografischer Kennzahlen.

Weitere Ergebnisse zu Einstellungen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Hinblick auf Bildung und Leistung sowie Erkenntnisse zu ihren Vorbildern, zur allgemeinen Zufriedenheit mit ihrem Leben in Österreich, zu Zugehörigkeit und Sozialisation finden Interessierte im ÖIF-Befragungsbericht „Werte und Einstellungen junger Migrant/innen. Befragung Jugendlicher und junger Erwachsener mit türkischem, ex-jugoslawischem, syrischem und afghanischem Migrationshintergrund in Österreich“ in der ÖIF-Mediathek.

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