04 Migration und Sicherheit

Perspektiven Integration

„Ein Polizist wird als Autorität und Repräsentant des Staates schwer anerkannt.“

Interview mit Friedrich Kovar

Neben dem Bildungsstand, dem sozialen Status und der kulturellen Prägung sieht Friedrich Kovar mangelnde Integration bzw. Integrationsbereitschaft als die Risikofaktoren für Kriminalität. Er hebt hervor, dass die Polizei mit einer bisher noch nicht so dagewesenen Gewaltbereitschaft konfrontiert wird. Er warnt davor, aus falsch verstandenem Humanismus die Realität zu negieren, und spricht sich dafür aus, dass unsere Werte und das entsprechende Verhalten von Menschen, die zu uns kommen, eingefordert werden müssen.

Welchen genauen Bezug haben Sie eigentlich in Ihrer Tätigkeit zu Flüchtlingen und Migranten?

Als „Referent für Menschenrechte“ in der Landespolizeidirektion Wien habe ich die Aufgabe, sowohl auf den Schutz der Menschenrechte – die Polizei ist die größte Menschenrechtsschutzorganisation – als auch auf die Erfüllung der polizeilichen Aufgaben zu achten. Und man kommt in Situationen, die auch für einen langjährigen Polizisten exotisch sind. Ich durfte bei der großen Flüchtlingsbewegung 2015 in einer Nachtaktion zwei Flüchtlingsunterkünfte in Wien aufbauen. Aus dem Nichts. Das war das Ferry-Dusika-Stadion und die benachbarte Sport- und Fun-Halle. Unterkünfte für insgesamt 1.500 Menschen. Das ist eine Herausforderung. Und eine Erfahrung, wenn man diese Einrichtungen dann auch mehr als drei Wochen leitet.

Welche „Risikofaktoren“ gibt es für Kriminalität im Allgemeinen und unter Migranten im Speziellen?

Die größten Risikofaktoren sind mit Sicherheit Bildungsstand, sozialer Status und kulturelle Prägung. Hinzu kommt noch die mangelnde Integration und – das ist auch wichtig – die vielfach wahrzunehmende mangelnde Integrationsbereitschaft. Einen Unterschied zu „Inländern“ würde ich bei den großen Risikofaktoren nicht machen.

Einer Auswertung verschiedener Quellen zufolge ist in Österreich jeder dritte Verdächtige einer Straftat ein Migrant. In Wien ist es sogar fast jeder zweite Verdächtige. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Entschuldigen Sie jetzt meine flapsige Antwort: Ist nun einmal so. Das größere Problem ist, glaube ich, dass wir das auch so sehen müssen. Die andere Frage lautet, ob wir das akzeptieren wollen oder müssen... oder ob wir resignieren. Denn wenn uns keine guten Modelle einfallen sollten, um die Probleme schnell zu lösen, müssten wir wohl mit Anstand resignieren. Und ich habe bis jetzt keine guten Modelle.

Die hat wohl niemand. Man müsste sie unter Beteiligung aller Beteiligten erarbeiten.

Ja, aber die Zeit drängt. Man hätte sich vor 20 Jahren zusammensetzen und Lösungen erarbeiten sollen. Denn die Zeichen waren ja nicht schwer zu erkennen. Aber man wollte sie nicht erkennen. Bis heute ist das so. Es gibt immer noch Leute, die sagen, es werde alles nicht so heiß gegessen wie gekocht. Dabei ist es nicht nur fünf vor zwölf, sondern zwei vor zwölf.

Welche Rolle spielt bei der Kriminalität die altersmäßige Zusammensetzung der Migranten? Und Statusmerkmale wie Bildung, berufliche Stellung und familiäre Situation?

Nicht nur die altersmäßige Zusammensetzung ist relevant, auch die prozentuale Verteilung der Geschlechter. Ein eklatanter Überhang von jungen Männern mit allen von Ihnen angeführten Statusmerkmalen ist problematisch. Bildung habe ich bereits erwähnt und die anderen Merkmale subsumiere ich unter dem Begriff „sozialer Status“.

Ist Gewalt vor allem eine kulturelle oder eine soziale Frage?

Gewalt ist auch, die Betonung liegt hier auf „auch“, eine kulturelle Frage. Zweifelsohne. Aus der Sicht der Polizei sind wir mit einer Gewaltbereitschaft konfrontiert, die wir bisher so nicht gekannt haben. Ein Polizist oder eine Polizistin wird als Autorität und Repräsentant/in des Staates schwer anerkannt. Für einige Ethnien sind Kinder und Frauen Ware, die man einfach besitzt. Und dementsprechend wird auch mit diesen umgegangen. Hier ist ein anderer Umgang mit Werten vorhanden. Die Gewalt aus der Perspektive der sozialen Frage ist dann zusätzlich ein gefährlicher Katalysator.

Wie soll man mit Leuten umgehen, die die Autorität der Polizei nicht anerkennen? Die, was ja schon passiert ist, auf einen Polizisten zugehen und ihn provozieren, obwohl dieser schon seine Waffe gezogen hat?

Gott sei Dank sind unsere Polizisten und Polizistinnen sehr besonnen und gut geschult. Es ist aber nicht auszuschließen, dass es in Ausnahmesituationen tatsächlich zu einem gerechtfertigten lebensgefährdenden Waffengebrauch kommen kann. Man kann dann nur hoffen, dass die Polizisten und Polizistinnen nicht weiter provoziert bzw. angegriffen werden und rechtzeitig darüber reflektiert wird, ob sich die in manchen Kulturen verbreitete „Angst vor Gesichtsverlust“, „Angst vor Ehrverlust“ und „Imponiergehabe“ wirklich lohnen. Einige Ethnien haben eine sehr archaische Einstellung zu Waffen, zu Angst, zum Begriff Ehre und zum – auch eigenen – Tod.

Würde man die Statistiken von demografischen und sozioökonomischen Fragen wie Bildung, Einkommen etc. bereinigen, wären dann Ausländer Ihrer Meinung nach immer noch krimineller als Inländer?

Wie soll man die Statistiken von diesen Parameter bereinigen? Würden wir das tun, könnte alles auf die Frage hinauslaufen: Ausländer oder nicht Ausländer? Das wäre dann eine sehr reduzierte Statistik. Würde das die Kriminalstatistik lesbarer oder charmanter machen? Wohl kaum. Demografische und sozioökonomische Fragen sind wenigstens der Versuch einer Erklärung und der mögliche Ansatzpunkt für Prävention.

Welche Rolle spielt bei diesen Statistiken das sogenannte „Racial Profiling“? Denn je häufiger eine Gruppe in eine Kontrolle gerät, desto häufiger werden Straftaten aufgedeckt, oder?

„Racial, Ethnic oder Social Profiling“ wird meiner Ansicht nach ein bisschen inflationär und missverständlich verwendet. Profiling, mit welchem „Vorwort“ auch immer, in Verbindung mit polizeilichen Aufgabenstellungen wird von der polizeikritischen Gesellschaft – oft vorsätzlich – missverstanden und missdeutend verwendet. Ich verstehe empathisch sehr gut, dass betroffene Menschen, die sich keiner Schuld bewusst sind, unter polizeilichen Kontrollen leiden und wenig Verständnis dafür haben. Und diese trifft sich dann mit der polizeilichen Perspektive. Bei sogenannten Schwerpunktkontrollen werden wenig relevante Straftaten aufgedeckt, Ausnahmen sind hier Suchtmitteldelikte. Wenn aber bekannt ist, dass sich an einem Ort vermehrt Menschen einer bestimmten Ethnie aufhalten und genau diese Straftaten begehen, dann wäre es aus ethischen Gründen verwerflich, sogenannte „Quotenkontrollen“ durchzuführen, nur um dem unbegründeten Vorwurf des „Racial Profiling“ zu entgehen. Wenn wir polizeilich wissen, dass es Gruppen gibt, die in Kleidung, Verhalten und – zum Beispiel – Hautfarbe identisch sind, und die polizeiliche Erfahrung gezeigt hat, dass sie bestimmte Straftaten begehen, dann werde ich nicht wahllos Menschen kontrollieren, die ganz anders aussehen. Mag schon sein, dass es unter dieser Gruppe auch „Straftäter“ gibt, aber das ist ethisch und auch ökonomisch nicht vertretbar.

Was sagen Sie zu dem Argument, die Fremdenkriminalitätsstatistik gehe in die Höhe und stigmatisiere Ethnien?

Das ist ein logisches Paradoxon. Würden diese Straftaten nicht begangen worden sein, könnten wir sie nicht aufdecken. Da schwingt in Wirklichkeit eine ganz gefährliche Forderung mit: Lassen wir Straftaten ungesühnt, um Ethnien – aus falsch verstandener Menschenliebe – nicht zu stigmatisieren. Dann passiert wie in Deutschland das Unfassbare, dass eine Politikerin, die sich öffentlich für Flüchtlinge starkmacht, ihre eigene Vergewaltigung nicht mehr anzeigt, weil sie Ausländer nicht zusätzlich stigmatisieren will.

Sie sprechen von einer jungen Politikerin, die im Sommer 2016 den Übergriff zunächst verschwieg, um eine pauschale Verurteilung der Flüchtlinge zu verhindern, und später doch zur Anzeige brachte.

Genau. Das ist eine Entwicklung, die mir Angst macht.

Werden eigentlich Straftaten von Ausländern häufiger angezeigt als von Inländern? Beispielsweise bei sexuellen Übergriffen?

Ihre Frage kann ich unterschiedlich verstehen. Einmal kann ich antworten, dass Ausländer/innen weniger Straftaten anzeigen, wenn sie selbst Opfer sind. Da ist es die Aufgabe der Polizei, diesen Menschen aus anderen Ländern zu vermitteln, dass eine demokratisch legitimierte und menschenrechtlich agierende Polizei in Österreich anders handelt, als sie das vielleicht aus ihren Heimatländern gewohnt sind. Diesen Auftrag haben wir, dass wir bei Ausländer/innen dieses Vertrauen in die Polizei vermitteln und stärken. Anders beantwortet: Dass Fremde schneller angezeigt werden, kann ich aus meiner Sicht nicht bestätigen. Das müsste man in der Viktimologie wissenschaftlich aufarbeiten. Solche Studien sind mir selbst nicht bekannt. Bei Sexualdelikten spielt natürlich die subjektive Wahrnehmung des Opfers und das Setting eine große Rolle. Wenn heute eine junge Frau in die Disco geht, dann wird sie vermutlich damit rechnen, dass sie angesprochen wird. Aber nur in dem Ausmaß, wie sie das auch akzeptieren will. Und wenn es ihr zu viel wird, dann sollte ein „Nein“ auch ein „Nein“ sein. Eine obszöne und abwertende Anmache von mehreren Jugendlichen in einem Einkaufszentrum am Vormittag oder in der Nacht auf dem Heimweg wird hingegen grundsätzlich als Bedrohung wahrgenommen.

Gibt es spezielle Gewaltdelikte, die für gewisse Nationalitäten typisch sind?

Das kann ich aus meiner Sicht nicht bestätigen. Da muss man sich einfach die Statistik anschauen. Wenn man nicht von Grund auf annimmt, dass Statistiken immer erlogen sind, wird man auf Zahlen kommen, die das vielleicht – ganz emotionslos – belegen.

Ist es überhaupt zulässig, die Kriminalstatistik nach Ethnien aufzubereiten?

Aus meiner Sicht spricht nichts dagegen. Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie ist ein Parameter wie jeder andere. Wichtig ist, sich damit auseinanderzusetzen, was man dann mit diesen Statistikzahlen anfängt, wie man sie interpretiert, wozu man sie nutzt, welche Handlungen man damit begründet. Aber ich gebe zu, dass diese Zahlen in den falschen Händen auch verantwortungslos und stigmatisierend verwendet werden können. Was aber nicht dazu führen darf, auch auf Probleme hinweisen zu dürfen und zu müssen. Und Probleme mit Menschen gewisser Ethnien gibt es zurzeit.

Wie redet man am besten über dieses Thema, ohne als Ausländerfeind zu gelten?

Das ist ein unglaubliches Zukunftsfeld für Kommunikationswissenschaftler und Medientrainer. Da sucht man nach dem „Stein der Weisen“. Viele gesellschaftliche Gruppen polarisieren mit dem Thema, leider zum Leidwesen der Betroffenen.

Inwiefern zum Leidwesen der Betroffenen?

Die Polarisierung geht ja in viele Richtungen. Entweder Ausländer generell werden zu Projektionsflächen von Hass – so zum Beispiel bei Gewaltdelikten –, oder sie werden zum Neidobjekt, wie bei der Diskussion um Sozialleistungen. Ich denke da an „Rechte Hetze“, aber auch an den nicht konsequent zu Ende gedachten „Schlachtruf“ – ich betone dieses Wort absichtlich – „All refugees are welcome here!“. Die einfach strukturierten, unreflektierten Meldungen am Stammtisch gehen dann von „Schickts alle ham!“ bis „Österreicher zuerst!“. Ausbaden müssen es dann leider Asylwerber oder sogar alle Menschen mit Migrationshintergrund. Hier wird das Flehen nach „sozialem Frieden“ evident.

Es gibt Ausländerfeindlichkeit unter Österreichern. Gibt es das auch umgekehrt? Also eine Art Österreicherfeindlichkeit unter Ausländern?

Soweit ich es beurteilen kann, ja. Und zwar immer dann, wenn Erwartungen fortgesetzt nicht erfüllt werden. Das äußert sich eher weniger gegen Menschen als gegen Institutionen. Mit Erwartungen meine ich etwa Deutschkurse, eine Wohnung, finanzielle Unterstützung, medizinische Versorgung etc. Also im Wesentlichen soziale Leistungen.

Steigt die Angst der Österreicher vor Ausländerkriminalität?

Definitiv ja. Einerseits haben hier die Medien einen großen Anteil, andererseits die von Ihnen bereits erwähnte Verkrampfung, über dieses Thema emotionsfrei zu diskutieren. Die Angst, nicht darüber reden zu dürfen, beflügelt unausgesprochene Gedanken.

Was ist die beste Prävention gegen Kriminalität?

Darüber reden. Und hinschauen. Nicht aus falsch verstandenem Humanismus die erlebte Realität negieren. Prävention kann nur an ständige Informationen geknüpft sein. Wie leben wir hier? Welche Werte sind uns wichtig und für welche haben unsere Vorfahren gekämpft? Was bedeuten Menschenrechte in Europa? Wie bewahren wir diese und wie bauen wir sie aus? Diese Werte und das entsprechende Verhalten müssen wir auch einfordern dürfen. Ohne dass wir Gefahr laufen, als Diktatoren zu gelten, die anderen Menschen etwas aufzwingen wollen. Asylwerber sind deswegen zu uns geflüchtet, weil bei uns ein anderes Wertesystem gilt, das sie vor Verfolgung, Unterdrückung, Diskriminierung etc. schützt. In unser aller Sinne sollten wir unsere Werte bewahren.

Mit welchen Mythen und Klischees werden Sie beim Thema Ausländerkriminalität am häufigsten konfrontiert?

Eine Antwort, die vielleicht so gar nicht erwartet wird: Teilweise hat die Realität die Mythen und Klischees überholt.

Friedrich Kovar ist Referent für Menschenrechte in der Landespolizeidirektion Wien. Er ist an der Erarbeitung und Umsetzung von Schulungsprogrammen beteiligt. 2015 baute er zwei Flüchtlingsunterkünfte für insgesamt 1.500 Menschen in Wien auf und leitete diese. Außerdem war Friedrich Kovar maßgeblich am Projekt „Polizei.Macht.Menschen.Rechte" des Bundesministeriums für Inneres beteiligt. 

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